Luftaufnahme zur Verfügung gestellt von Wilfried Wrede

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Warum ist die Rohr dort wo sie ist?

Die Oberflächenstruktur unserer Heimat wurde weitgehend während der dritten Eiszeit, bekannt auch als Saale- oder Riss-Eiszeit geformt. Diese Eisbedeckung vollzieht sich in Etappen des Rückzuges und erneuten Vorstoßes. Sie beginnt vor 240.000 Jahren und erreicht ihren Zenit 10.000 Jahre später. Bis 190.000 v. Chr. ziehen sich die Gletscher langsam zurück, hinterlassen ihre Schuttladungen, wo sie gerade besonders schmelzanfällig sind. Ein neuer Vorstoß des Eises ab 180.000 v. Chr. schiebt diesen Schutt nun wieder vor sich her, doch steigende Temperaturen bringen die Gletscher erneut zum kalben. Zwischen 170.000 und 140.000 v. Chr. vollzieht sich ein sehr zögernder und durch regelmäßige neue Vorstöße des Eises unterbrochener Total-Rückgang der Vereisung bis zum Eintreten einer ausgesprochenen Warmzeit um 130.00 v. Chr., mit Temperaturen, die deutlich über den heutigen liegen. Irgendwann in dieser warmen Epoche taucht in unserer Heimat das erste Lebewesen Spezies Homo Sapiens auf. Dann aber kommt noch eine vierte Eiszeit, benannt nach den Flüssen Würm und Weichsel, deren Eisrand jedoch nur noch Schleswig- Holstein, Mecklenburg und Brandenburg erreicht. Die damit verbundene Kaltzeit wird für unseren Bereich extrem lang, sie reicht von etwa 120.000 bis 15.000 v. Chr., mit allerdings gelegentlich auftretenden Temperaturschwankungen. Die Durchschnittstemperatur liegt in diesen 100.000 Jahren ca. um 12 Grad unter unseren heutigen Werten. Das Quellgebiet der Rohr liegt im Bereich Bülter- Silbersee, hierzu folgende Bemerkung :
In Joh. Hinr. Pratjens Nachricht vom Gerichte Beverstedt, gedruckt im Jahre 1769, finden wir unter Das 1. Kapitel, vom Gerichte Beverstedt überhaupt in §. 10.4. folgenden Satz: Die Rohr sammelt sich im Kirchspiel Beverstedt unweit der so genannten Silber-See, aus den Moorquellen, und nachdem sie die Wassermühle zur Hose, unweit Bexhövede getrieben, fällt sie in die Marsch, und ergießt sich, nicht weit vom Lunefluß durch den Wulsdorfer Siel, in die Weser, ist aber gar nicht fischreich. An Lune und Rohr hatte man im 17. Jahrhundert nahe der Mündung Deiche gebaut. Die bis dahin im Mittellauf betriebene Schifffahrt kam dadurch zum Erliegen. Die Entwässerung wurde von Schleusen und Sielen übernommen. Schifffahrt auf dem Mittellauf der Rohr? Das läßt sofort an einen Hafen, auch Schiffstelle, wie wir ihn in Sellstedt für die Geeste gefunden haben, denken. Hinweise geben sehr oft alte Flurnamen ( Hude, Huthstelle, in Sellstedt: Hoh-Wiesen und Hohfeld). Für den Bereich Donnern hat sich aber bis heute kein Hinweis gefunden, obwohl es doch sehr nahe liegend wäre. Vom Bau einer Luneschleuse hören wir 1609. Sie war, ebenso wie das Siel an der Rohr, durch die Schließen der Weserdeichlücke zwischen dem Land Wührden und Wulsdorf, nahe der Lunemündung, notwendig geworden. Aus diesem Grund wurde 1609 zwischen denen von Luneberg, genannt die Bicker, und Johann Schwinge aus Loxstedt ein Vertrag geschlossen. Darin verpflichtet er sich den von Lunebergischen Deichanteil, der wegen der Schleuse ... zu machen anbefohlen, gegen Zahlung von druttein dicke Daler jeden tho 60 Bremer groten gerechnet für sie fertig zu stellen. Wichtig ist es zu erfahren, wie die Bedingung für die Schifffahrt vor dem Deichbau und dem damit verbundenen Bau von Schleusen und Sielen waren. Auf diese Frage gibt der Schriftwechsel anläßlich eines Prozesses, den die Dörfer an der Rohr 1688 gegen Wulsdorf führten, Auskunft. Von der Rohr wird berichtet, dass, als sie ihren Ausfluß frei und ohngeschräncket hatte und die Flut aus der Weser herauf steigen konnte, dazumal die Schiffe hinauf fahren konnten. Damals sei der Fluß 24 Fuß (ca. 7,20 m) breit gewesen, während er heute nur noch 7 Fuß (ca. 2,10 m) breit sei. Durch die Hilfe solcher Schiffahrt sei den Gütern und Dörfern an der Rohr ein guter Nutzen erwachsen, der ihnen jetzt durch den Siel entzogen sei.


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Das Bild ist der Verlauf der Rohr nach Wehdel auf der Brücke nach Donnern

Als weiteres Argument für ihre Ablehnung der Kostenbeteiligung am Sielneubau weisen sie auf die Auswirkungen des Schleusenbaues an der Lune hin. Auch sie sei vor dem Bau der Schleuse ein Strom gewesen, der bis Freschluneberg mit holländischen ziemlichen Schmacken navigabel gewesen. Ebbe und Flut seien dahin gestiegen. Wie sehr die Einstellung der Schifffahrt sich auf die verkehrgeographische Situation auswirkte, wird noch Jahrzehnte später in einer Beschreibung der Börde Beverstedt hervorgehoben. Von den Dörfern im Einzugsbereich der Flüsse heißt es, sie seien so übel gelegen, dass sie von allen Städten entfernt, ohne große Mühe und Kosten ihren Vorrat dahin zu Markte nicht bringen könnten. Als Ursache ihrer ungünstigen Lage geben sie die Einstellung der Schifffahrt auf der Lune an, die, nachdem sie mit einer Schleuse beleget sei, überall zugewachsen sei. Obwohl sie nur wenig zu verkaufen hätten, z.B. Hühner, Eier und besonders Torfkohle, empfänden sie es als nachteilig, dass alles, da es nach Hamburg gehe, bis an die Oste mit Wagen transportiert werden müsse. Berücksichtigt man den schlechten Zustand der Wege, wird es noch verständlicher, wie vorteilhaft die Nähe eines schiffbaren Flusses für Handel und Verkehr war und wie sehr die Anlieger eines ehemals schiffbaren Flusses ihre nunmehrige Abgeschiedenheit als nachteilig empfanden. Im II. Kapitel, vom Kirchspiel Beverstedt insonderheit unter §.7.8.:Donnern liegen von der Kirche eine Meile ab gegen Norden, und hat 36 Feuerstädte. Zwischen Donnern und Wehdel lieget die so genannte Bickers-Brücke über die Rohr.

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Im V. Kapitel, vom Kirchspiele Bexhövede unter §.7.3.: Hose. Es lieget eine viertel Meile von der Kirchen gegen Nordwesten, und hat eine Wintermühle, so von der Rohr getrieben wird, und außer dem adlichen Hofe, so dem Herrn Landrat Issendorf zu Düringen gehöret, noch drei Feuerstädte... Der Ausdruck Wintermühle erklärt sich wie folgt: Um das zum Antrieb einer Wassermühle notwendige Gefälle zu erzeugen, mußten alle hiesigen Mühlen die Zuflüsse stauen. Diese Staurecht durfte aber nicht uneingeschränkt ausgeübt werden, wenn dadurch die flussaufwärts gelegenen Wiesen geschädigt wurden. War dies der Fall, durfte meist vom Maitag (01.05.) bis Jacobi (25.07.) nicht gemahlen werden, der Müller mußte zur Vermeidung des Rückstaus das Wasser frei laufen lassen. Erst nach der Ernte konnte wieder gemahlen werden. Pratje nannte sie deshalb Wintermühle. Die Mühle an der Rohr ist sehr alt. Sie wird schon im Jahre 1202 erwähnt. Diese Mühle, wohl eine der ältesten Wassermühlen im Erzstift Bremen, war zur Versorgung der Adelssitze und Dörfer im Machtbereich der Herren von Bexhövede angelegt worden. 
Fast 300 Jahre später wird die Hoser Mühle im Vörde Register wieder erwähnt. Sie gehörte damals zu Nückel. Die ersten Mühlen waren alles Wassermühlen. Dieser Mühlentyp wurde in der Börde Beverstedt erst im 18. und 19. Jahrhundert von Windmühlen abgelöst. Die Wassermühlen hatten keine große Mahlkapazität. Trotzdem scheinen die Müller bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts ihr Auskommen gehabt zu haben. Die Hoser Mühle war von Süden und von Norden gut zu erreichen. Alle Einwohner im Einzugsbereich der Mühle konnten diese über trockene Geestwege erreichen. Der Sellstedter Mühlenweg durchquerte die Bökener Heide und führte auf kürzestem Wege zum Mühlendamm. Bis zum Bau der heutigen Strasse von Sellstedt nach Donnern waren der Mühlenweg und Rohrbrücke Teil des Kirchweges nach Bexhövede. Den uns heute bekannten Mühlenweg in Sellstedt gibt es erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, der erwähnte Mühlenweg ist der schmale Pfad im Fuhrenkamp, der in der Nähe des alten Schulwaldes den heutigen Mühlenweg erreicht. Im Jahre 1854 war die erste Windmühle in Hosermühlen fertig. Im gleichen Jahr wurde die seit 1184 von der Rohr angetriebene Wassermühle abgerissen. Sie hatte dort 670 Jahre gestanden. Im Jahre 1918 wurde die Windmühle durch Blitzschlag beschädigt und im gleichen Jahr abgebrochen. Seit dieser Zeit wurde in Hosermühlen nur noch mit einer Dampfmühle gemahlen. In dem I. Kapitel, vom Vielande überhaupt, schreibt Pratje im §.1. Wenn man die Landkarten von den Herzogtümern Bremen und Verden, die Homann und Seuter gestochen haben, ansieht, so findet man, dass unter dem Lande Wursten, und dem Flecken Lehe, der weil er vormals iure occopationis der Stadt Bremen eine Zeitlang zugehörte hat, sonst auch Bremerlehe heißt, ein ziemlich großer und schiffbarer Fluß, die Geeste genannt, in die Weser fällt. Etwa eine gute halbe Meile weiter herunter ergießt sich ein anderer Fluss in die Weser, welcher auf der homannischen Charte zwar gezeichnet, aber nicht namhaft gemacht, auf der seuterischen aber, und zwar ganz richtig, die Rohre* benannt ist. Fast eine Meilweges von der Weser, landwärts ein, findet man eine solche Zeichnung, welche einem Moere, die einen sumpfichten, schwefelichten Grund anzeiget, aus welchem der Torf gegraben wird, nachdem er an der Sonne getrocknet worden, anstatt des Holzes angezündet und gebrauchet wird. Das Land, welches zwischen diesem Moere, der Geeste, Weser und Rohr liege, heißt das Vieland, welches also ungefähr eine gute halbe Meile lang, und fast eine Meile breit sein mag. * Die Rohre sammelt sich in der Börde Bramstedt aus den Moorquellen, und nachdem sie die Wassermühl zur Hose, unweit Bexhövede, getrieben, fällt sie in die Marsch und macht die Grenzen zwischen der alten Grafschaft Stotel und dem Vielande. Endlich ergießt sie sich nicht weit von dem Flusse Lune, durch den Wulsdorfer Siel in die Weser. Die heutige Rohr hat aktuell eine Gesamtlänge von ca. 17 km und eine Durchschnittsbreite von ca. 2,5m, das Quellgebiet liegt im Bereich Bülter- Silbersee in den Gemeinden Wehdel und Heerstedt. Sie mündet nördlich der L 121 bei Lanhausen im Grenzbereich Wulsdorf - Lahnhausen in die Lune. Zum Abschluss noch einige Kindheitserinnerungen. Einige Zeit ist es nun schon her, es war am Ende der 50er Jahre - damals war es für uns Kinder selbstverständlich an einem schönen warmen Sommertag einmal schnell mit dem Fahrrad zum Baden zu fahren. Unser Stammplatz war die Rohrbrücke zwischen Sellstedt und Donnern, damals noch eine Holzbrücke und völlig ausreichend für den damaligen Verkehr. Dort gab es eine Staustufe aus massivem Eichenholz, dadurch war das Wasser hier ca. 1,5 bis 2,0 m tief. Für einige von uns Kindern sicher zu tief aber eine Plattform vor dem Stauwehr mit einer Wassertiefe von knapp einem Meter machte die Sache schon sicherer. Zum Baden ein idealer Platz, mit Schwimmer- und Nichtschwimmerabteilung. Beliebt war dann die "Arschbombe" oben von der Brücke in das erfrischende, hier knapp 2m tiefe Wasser. Als zweiten Badeplatz gab es noch eine zweite Staustufe, ungefähr 500m vor der Rohrbrücke in Hosermühlen in den Wiesen. Dieser Platz war zum Baden nicht ganz so beliebt, denn das Wasser war hier sehr moorig. Der Vorteil war, dass man hier ungestört allen möglichen Unsinn treiben konnte. Im nahe gelegenen Wald gab es eine alte Sandkuhle, die noch zusätzlich zum Spielen einlud. Anfang der 60er Jahre war es dann mit dem Badevergnügen vorbei. Im Rahmen der Flurbereinigung wurden alle Staustufen beseitigt, der Wasserlauf wurde an einigen Stellen zusätzlich begradigt und komplett ausgebaggert. Aus der Rohr ist ein 2m breiter Abflussgraben geworden. Die Mäander des Bachlaufes wurden bis auf einige Andeutungen beseitigt. Der ehemals naturnahe Bachlauf hatte seinen Charme verloren. Doch auch diese Baggerarbeiten hatten für uns Kinder eine interessante Seite. Hatten die Arbeiter Feierabend, war es unsere Aufgabe die am Bachlauf liegenden Hügel des Baggergutes nach Fundstücken zu durchsuchen und oft fanden sich Reste von Karabinern und Pistolen aus dem 2. Weltkrieg, manchmal sogar noch mit der dazugehörenden Munition. Besonders groß war die Erfolgsquote an der Brücke nach Donnern. Ach ja, die Brücke, unsere geliebte Holzbrücke mußte nun einem Bauwerk aus Stahlbeton weichen, sicherlich nötig aber von uns Kindern nicht unbedingt verstanden. Vor der Flurbereinigung Anfang der 60er Jahre hat mein Großvater und ich den damals noch vorhandenen Fischreichtum der Rohr ausgenutzt um unseren Mittagstisch mit einigen schmackhaften Ergänzungen zu erweitern. Mein Opa hatte sich damals eine Genehmigung zum Fischen in der Rohr und zwar im Bereich des Mittellaufs, zwischen der Brücke bei Donnern und Hoserrmühlen besorgt. Wenn ich mich recht entsinne, war das Stauwehr in dem Bereich schon abgebaut. Wir fischten damals nicht mit der Angel sondern mit einem Netz. Es wurde mit langen Stöcken über die Rohr gespannt und mit einem runden, ca. 15 cm dicken und 40 cm langen, ausgehöhltem Holzstamm der wie ein umgekehrter Eimer aussah, der an einer 3 m langen Stange befestigt war, mußte ich ins Wasser stechen und die Fische ins Netz treiben, jeder Stoß ins Wasser ergab immer ein ploppendes Geräusch. Nach einer halben Stunde holte mein Großvater das Netz dann ein und unsere Arbeit wurde mit reichlich Fisch belohnt, damals hauptsächlich Hechte und Brassen. Nach ca. einem Jahr gaben wir die Fischerei dort dann auf, es lohnte sich für die Netzfischerei nicht mehr. Eine Angel wollte Großvater nicht in die Hand nehmen. Als alter pommerscher Fischer war er wohl zu stolz dazu. So, als kurzer Bericht über die Rohr scheint es mir bis hier erst einmal ausreichend zu sein. Ich wünsche dem Angelverein viel Erfolg und eine glückliche Hand für die verantwortungsvolle Arbeit, die sie übernommen haben.
Quellen: Schifffahrt auf der Geeste von Lina Delfs. Altes und Neues von Johann Hinrich Pratje diverse Jahrbücher der Männer vom Morgenstern Kurhannoversche Landesaufnahme: Ausschnitte Blatt Stotel und Blatt Beverstedt. Nachdruck 1996. Initiative von E. Nehring. Erinnerungen von Bernd Stüber

Unten sehen sie den Verlauf der Rohr , so wie den Sellstedter See

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